Filmästhetik und Kindheit

Das Mehr der Bilder – zwischen Dokument und Fiktion

La Pivellina

Alejandro Bachmann

16. März 2018

für Kinder

Titelbild

Ausgangspunkt dieser insgesamt 5-stündigen Lehreinheit war der Film La Pivellina, eine italienisch-österreichische Coproduktion des Regieduos Tizza Covi und Rainer Frimmel. Wie einige andere Arbeiten der beiden ist der Film im Mikrokosmos einer Zirkusgemeinschaft angesiedelt, die am Rande von Rom in einer Gruppe von Wohnwägen lebt und wie auch in den vorherigen Arbeiten, ist das Werk eine sehr eigenwillige Mischung aus dokumentarischem und fiktionalem Film.

Die erwachsenen Hauptfiguren – das Paar Walter und Patti, sowie der der Familie sehr nahestehende 13-jährige Tairo – treten im Film mit ihren eigenen Namen und in dem Umfeld ihres alltäglichen Lebens, zu dem auch der Zirkus gehört, auf. Das fiktionale Element, also jener Teil, der erdacht ist und nicht ohne die Präsenz der Filmemacher im Leben von Walter, Patti und Tairo stattgefunden hätte, findet über die ca. zweijährige Asia Eingang in den Film. Diese wird zu Beginn des Films von Patti auf einem Spielplatz in der Nähe der Zirkussiedlung am Rande von Rom alleine aufgefunden. Nachdem Patti einige Zeit gewartet hat, ob nicht doch jemand das Kind abholt, entschließt sie sich, das Kind mitzunehmen und für es zu sorgen. Von diesem Zeitpunkt an verfolgt der Film kaum eine Narration im klassischen Sinne: Vielmehr besteht er aus einer Reihe von Szenen, die davon handeln, wie sich die erwachsenen Hauptfiguren mit der Präsenz von Asia in ihrem Leben arrangieren, sie in den Alltag einbinden und diesen stellenweise auch anpassen, um Raum für sie zu schaffen. Nur sporadisch stellt sich die Frage, ob Asia früher oder später wieder zurück zu ihren Eltern muss.

Vor dem Hintergrund des Projektes schien uns dieser Film aus zwei Gründen eine gute Wahl: Durch die Figur der Asia, eines kleinen Kindes, verschafft sich der Film Zugang zu einer Lebensrealität, die Kindern aus dem 5. Bezirk in Wien in dieser Form mehrheitlich nicht vertraut ist – das Leben am Stadtrand, in ärmlichen Verhältnissen, in einer Zirkusgemeinschaft, im Wohnwagen. Zudem führt das Alter der Protagonistin – sie ist 2 Jahre alt und damit eben nicht im selben Maße kontrolliert und tatsächlich schauspielend wie ein erwachsener Mensch – den Film an eben jene Grenze zwischen den Gattungen des Dokumentarfilms und dem Bereich des Fiktionalen. Diesen Aspekt des Fragenkomplexes zu ‚Filmästhetik und Kindheit', den wir im Laufe des Jahres noch nicht weiter vertieft hatten stellt sich in La Pivellina auf vielfache Weise: Was an diesem Film ist echt, was ist erdacht?

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